Tuesday, August 25, 2015

Mein Vater, der burische Rassist

Nachdem mein Vater ja doch zu einigen Kommentaren, Heiterkeit und Nachdenklichkeit angeregt hat, widme ich ihm nun mal einen eigenen Post. Noch ein paar Tage weilt er ja bei uns in England.

Den hat er sich redlich verdient. Aber erstmal ein paar Details ueber ihn.

77 Jahre ist er alt, sieht aber eher aus wie Ende 60. Braungebrannt mit strohweissen Haaren und einer kernig-zaehen Statur und ungefaehr so gross wie ich (1,83) macht er schon was her.

Bis vor einem Jahr hat er in seinem eigenen Restaurant gekocht - und das seit ueber 50 Jahren. Aufgegeben hat er es auch nur, weil er - nach eigenen Worten - nun genug Geld hat um den Rest seiner paar jaemmerlichen Jahre armselig zu verbringen.

Armselig bedeutet ein 5 Hektar grosses Grundstueck in der Naehe von Durban am Indischen Ozean mit Blick aufs Meer und einem Hammer von Villa.

Armselig bedeutet, dass er es sich leisten kann, First Class zu uns nach England zu fliegen...

Aufgewachsen ist er im Apartheid-System und so verwundert seine teils deutliche rassistische Haltung nicht. Ich denke aber, sie ist ihm mehr Gewohnheit als dass er es damit wirklich ernst meint.

Zwar bezeichnet er die Schwarzen (darf man glaube ich gar nicht mehr sagen - zumindest "Black People" im englischen ist offiziell diskriminierend - man sagt wohl politisch korrekt "Colored", kann aber auch sein, dass das inzwischen auch schon wieder rassistisch ist) immer noch als Kaffer, aber als ich bei ihm gewohnt hatte vor nunmehr ueber elf Jahren, war einer seiner besten Freunde und Teilhaber ein "Kaffer" - wie er ihn immer bezeichnete. Dieser hat ihn im Gegenzug dann "Rassistiese" oder "Ubaguzi wa rangi" was eben Rassist in Afrikaans oder Kiswahili bedeutet.

Meine Mutter (sie ist oder war ja Deutsche) hat er in ebendiesem Restaurant kennengelernt und ich glaube schon nach ein paar Monaten geheiratet. Sie war die Tochter einer Diplomatenfamilie und kam somit viel rum.

Mein Vater spricht perfekt Englisch und Afrikaans, ein wenig Deutsch, ganz gut Kiswahili und ziemlich gut Sesotho sowie etliche Brocken anderer Bantu-Sprachen. Das hatte natuerlich auch mit seinem Restaurant bzw. seiner Kochausbildung zu tun, da in dieser Branche ja der Kulturenkessel neben vielen anderen Toepfen brodelt.

Ich habe bis zu meinem 5. Lebensjahr in Durban gelebt, wo ich auch geboren bin und bin quasi im Restaurant aufgewachsen. Meine Leidenschaft fuers Kochen hat mein Vater mir also schon frueh mit auf den Weg gegeben.

Dann hat es zwischen meinen Eltern nicht mehr funktioniert und meine Mutter ist mit mir nach Deutschland gezogen. War nicht ganz einfach, wie ich aus Erzaehlungen weiss, da Deutsch nicht gerade meine Sprache der Wahl war. Im Kindergarten habe ich dann wohl auch einen Kauderwelsch aus Englisch und Kiswahili geredet...

Auf eine Mail und Frage eines Lesers anworte ich hier mal. Ich schreibe meinen Blog auf Deutsch und nicht auf Englisch hauptsaechlich aus dem Grund, meine Familie zu beschuetzen. Englische Leser eventuell aus der Nachbarschaft (oder noch schlimmer aus den Medien) etc. koennten mich natuerlich super leicht ueber den Inhalt und die Umstaende identifizieren.

Einfach war es dann nicht, die Beziehung zu meinem Vater aufrecht zu erhalten. Zeit hatte er nie viel mit seinem Restaurant und die Apartheit sowie die spaetere politische Blockadenpolitik haben auch nicht gerade geholfen.

Er hat es aber immer geschafft, mich einmal im Jahr zu besuchen und spaeter einmal im Jahr zu sich nach Suedafrika zu holen.

Spaeter, als ich erwachsen war, hat sich das leider ein wenig zerstreut. Erst als meine Mutter starb, ist der Kontakt wieder intensiver geworden. Ich hatte zeitgleich einen schoenen Rosenkrieg hinter mir und er hat mich ueberredet, zu ihm nach Durban zu ziehen.

Viel Ueberredung war da allerdings nicht notwendig, da das natuerlich eine tolle Ablenkung war - in einer der wunderbarsten Regionen der Erde.

Nicht so gut war die Idee, dass ich mit im Restaurant anfange. Da sind zwei Dickkoepfe aufeinendergestossen und es hat ziemlich gekracht.

Nach 2 Monaten haben wir das wieder beendet und ich bin in meine alte Branche - Werbung, Design und Fotografie zurueckgekehrt. Gewohnt habe ich weiterhin bei meinem Vater und das hat dann auch zuemlich gut funktioniert - dank des grossen Hauses.

Mein Vater hatte nach meiner Mutter diverse Frauen - richtig fest ist es aber wohl nie mehr geworden. Irgendwas ist aber momentan - was er nicht verraten will. Hin und wieder hoehre ich ihn abends telefonieren - in einer ganz ungewohnt lieblichen Stimme - und dann auch noch auf Englisch mit gelegentlichem Wechsel zu Sesotho (verstehe ich auch ein wenig).

Insbesondere letzteres gibt mir den Rest: Der burische Rassist floertet in Sesotho???

Dann kam aber SIE in mein Leben und ich bin nach London gezogen.

Das hat unser Verhaeltnis erstmal stark abgekuehlt - er hat es mir durchaus uebel genommen, dass ich so schnell wieder weg war. Aber was hat er erwartet? Ich war ein Mann in den besten Jahren...

Das erste Mal haben wir uns erst 4 Jahre oder so spaeter wiedergesehen, als er zu uns gekommen ist. Dann waren wir einmal mit 4 kleinen Kindern und hochschwangerer Frau in Durban (nicht empfehlenswert, so ein langer Flug mit Kleinkindern und Baby, aber dort war es toll).

Das war's dann auch - nicht einmal zur Beerdigung der Mutter seiner 7 Enkel ist er gekommen. Das hab ich ihm echt uebel genommen.

Und dann hat er sich vor 2 Monaten in seiner eigenen Art - als ob nichts gewesen waere - angekuendigt. Also nicht gefragt, ob es recht ist, dass er kommt. Sondern einfach geschrieben, wann er in Heathrow ankommt und ob ich ihn bitte abholen koennte. Er bleibt dann ca. 4 Wochen, meinte er.

Er war stark beeindruckt, als er dann da war - das hab ich gemerkt, auch wenn er versucht hat, das zu verbergen. Wie wir das hier alles managen, wir wir unser 8-koepfiges Rudel zusammenhalten, wie wir alle 8 in Heathrow auf ihn gewartet haben und ihn dann in unserem nagelneuen Bus nach Hause gefahren haben. Das alles hat ihn wirklich beeindruckt.

Irgendwie hatte ich das Gefuehl, er hat mich das erste mal im Leben so richtig fuer ebenbuertig genommen. Und nein - ich leide nicht an Minderwertigkeitsgefuehlen...

Dann hat er alles auf den Kopf gestellt.

Mit seinem Rummosern am fehlenden 2. Bad und dass er morgens seine Ruhe im Bad braucht hat er mich echt dran gekriegt. Ich hab erst viel spaeter gemerkt, dass das ein Trick von ihm war.

Er weiss ja, dass ich nie finanzielle Hilfe von ihm annehmen wuerde. Und er weiss auch, dass er mich allein mit dem Angebot beleidigen wuerde.

Also meckert er einfach solange rum, bis ich ihm an den Kopf werfe, dass er doch einfach ein Bad bauen soll.

Klar war ihm natuerlich, dass wir dringend ein 2. Bad brauchen und klar war ihm auch, dass ich nicht wirklich das Geld dazu habe.

Also hat er es auf diesem Umweg gesponsort - und es ist ein tolles Bad geworden!!!

Eine riesige ebenerdige Dusche - da passen locker alle Kinder auf einmal rein. Und eine Badewanne mit Whirlpool mit Platz fuer 2 Erwachsene. Dazu 2 Doppelwaschbecken und nochmal zwei abgetrennte Toiletten. Einfach perfekt fuer uns - zudem eine immense Wertsteigerung unseres Hauses, sollte es je zum Fall der Faelle kommen.

Wie er es allerdings geschafft hat, mit englischen Firmen das Bad vom ersten Gespraech an innerhalb von knapp 2 Wochen fertig bauen zu lassen, wird mir immer ein Geheimnis bleiben. Hut ab, Daddy!

Dafuer bekommt er das Bad jetzt auch jeden morgen eine ganze Stunde nur fuer sich alleine. Das ist das wenigste, was wir tun koennen, meinte Nummer 1.

Und nochwas hat er auf die Beine gestellt. Der Spyder von IHR, der seit dem Unfall leicht beschaedigt vor der Tuer stand, hat er reparieren lassen und faehrt jetzt munter damit durch die Gegend.

Ich hab es nicht fertig gebracht, das Auto bisher auch nur anzufassen. Aber jetzt bin ich froh, da ich jetzt auch mal mit einem kleineren Wagen als mit unserem Bus wegfahren kann, wenn ich alleine bin.

Des weiteren hat mein Vater die Kueche fest im Griff - etwas fleischlastig ist es geworden: Am 3. Tag nach seiner Ankunft kam morgens eine Lieferung Rindfleisch an: 110 kg. Zum Glueck habe ich einen professionellen Gefrierschrank mit 650 Litern Kapazitaet...

Und auch sonst ist er sehr aktiv. Faehrt oefter alleine nach London - mit dem Zug allerdings, was auch besser so ist. Auch geht er abends hin und wieder mal in einen der lokalen Pubs und kommt sichtlich gut gelaunt - und sichtlich angetrunken wieder.

Soweit so gut - klappt eigentlich wirklich gut hier mit ihm. Aber ich bin auch ganz froh, wenn er bald wieder weg ist. Irgendwie ist man doch nie so ganz ungestoert und manche Diskussionen sind einfach laestig. Ausserdem schmeckt zwar sein Essen richtig toll - aber jeden Tag Restaurant? Morgens mittags und abends? Ich will meine gesunde Ernaehrung wieder haben!!!

Und er sehnt sich auch zurueck - das merke ich. Die Weite des Landes ist ein krasser Gegenzug zum englischen Village und auch wenn unser Cottage (mehr ein altes Herrenhaus) unter englischen Hausern wohl ein sehr grosses ist, wirkt es natuerlich gegen seine Villa in Durban eher beengt.

                             Bild eingefuegt auf Wunsch von Annika

Sein Gaestezimmer hier - und das ist das groessere - hat so ungefaehr 4 x 3,5 Meter. Sein Wohnzimmer in Durban duerfte so 15 x 10 Meter sein...

Das Wetter ist ihm hier auch zu kalt - und er bekommt kein ordentliches Gemuese zu kaufen. Da hat er schon recht, wenn ich die Qualitaet mit dem vergleiche, was Du so in Durban auf dem Markt bekommst...

Und ich glaube, ihm fehlen die Menschen aus Suedafrika. Diese immer zumindest unterschwellig vorhandene Unbekuemmertheit und Froehlichkeit gibt es bei uns in Europa so nicht - schon gar nicht in England oder gar Deutschland...

Trotzdem: Das Verhaeltnis ist wieder gut, die Kinder haben ihn (meist) genossen und wir planen eventuell, zu Weihnachten zu ihm zu kommen. Dann ist da Sommer.

Ich weiss aber ehrlich gesagt nicht, ob ich mit 7 Kindern so einen langen Flug mit Zwischenstopp in Dubai machen will (In Suedafrika steige ich nicht um mit 7 Kids...). Und wie ich das bezahlen soll, weiss ich auch nicht. Ist allerdings nur der Flug, alles andere waere ja dann zum Glueck inklusive...

Wir werden sehen.

11 comments:

  1. Du hast einen tollen Vater, in Relation zu meinem in jedem Fall. Alte Schule, hm? Auf das Herrenhaus bin ich jetzt neugierig geworden. So ein kleines Foto, ist das drin?

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    1. Yep - alte Schule.
      Foto vom Haus? Wollte ich schon lange mal ein paar machen. Gute Idee, mache ich mal demnaechst...

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  2. Ihr habt schon eine sehr schräge Beziehung, ihr beiden. Ihr mögt euch sehr und keiner kann's zugeben... deshalb spendiert er dir ein Bad und du lässt ihn ein Monat bei dir wohnen; das alte Klischee: Männer reden nicht, sie handeln :-)
    Liebe Grüße Babsy

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    1. Hallo Babsy,

      wie Maenner eben so sind. Klar moegen wir uns auf unsere eigene Weise. Und manhcmal ist mir Handeln echt lieber als Reden...

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  3. I call B.S. on most of your tall tales.

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    1. Bullshit? Manchmal empfinde ich es auch so... :-)
      Aber meistens macht es Spass!

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  4. Ah, das erklärt alles! Der alte Mann ist nicht böse, nur unsicher (gewesen). Und Hut ab, wie er sich ganz ohne Platzhirsch-Attitüden in das englische Landleben und die Familie eingefügt hat. Seien Sie sicher, auch wenn er früher einen Groll hegte, spätestens seit jetzt akzeptiert er Sie ohne Wenn und Aber! Das Bad, das Kochen und all diese Dinge sind nicht nur Ausdruck seiner Wertschätzung und Solidarität, sondern auch … nunja, so lange er das alles tut, muss er nichts sagen. Schon gar nichts, was nach "Gefühl" riecht. Aber dass er auch da anders kann, hören Sie ja am nächtlichen Gesäusel in Sesotho.
    Sagen Sie IHM doch was. So zum Abschied, am Flughafen, ganz unerwartet. Er wird sehr abgebrüht tun, von wegen "jaaa, schon gut" oder so. Und dann wünschen Sie sich, Mäuschen sein zu können und neben ihm zu sitzen, wenn das Flugzeug abhebt.

    Das mit dem Rassismus scheint in seinem Fall so was Ähnliches zu sein wie bei meinem Opa, der warnte mich, als ich klein war, immer vor den Franzosen (ich hatte damals zwar noch keinen gesehen, aber wegen Opa eine Heidenangst vor denen). Die Franzosen seien der Erbfeind! Mehr sagte er nicht, das aber in einem Ton! Ich glaubte lange, dass nach Opas Tod die Franzosen kämen, um den Garten oder sowas zu erben. Nun ja. Kam keiner.

    Mein Sohn kommt übrigens morgen aus Afrika zurück. Alles gut, keine Probleme, und auf dem einen Foto, das der Freund von ihm gemacht hat, sieht er sehr glücklich aus.
    Grüße von Pu

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    1. Schoen, dass mit dem Sohn alles gutgegangen ist.
      Das mit dem Flughafen und was sagen ist vielleicht wirklich ne prima Idee. Vielleicht aber nicht ich alleine (das waere ja wieder zu viel Gefuehl vor einen Mann), sondern zusammen mit dem Rudel...

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  5. Sie kriegen das schon hin. Notfalls in Sesotho :-)
    Pu

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  6. "...Das war's dann auch - nicht einmal zur Beerdigung der Mutter seiner 7 Enkel ist er gekommen. Das hab ich ihm echt uebel genommen..."

    Ich glaube, er kann einfach nicht aus seiner Haut herausfahren und wollte dich nicht in diesem Moment sehen und konnte den Gedanken daran nicht ertragen.
    Auch wenn die eigenen Eltern weit weg wohnen, wollen sie doch immer nur das Beste für das Kind. Vor dem Bösen bewahren, im Alltag unterstützen (wenn es nötig ist) und immer fürs Kind da sein.

    Aber wenn man den eigenen Sohn am Grab stehen sieht (und die Enkel) - am Boden zerstört und zerbrochen, eine ganze Familie, die in entzwei gerissen wurde, dann ist das für den Vater genauso unerträglich.

    Natürlich wäre es schön gewesen, wenn dein Vater bei der Beerdigung dabei gewesen wäre. Aber ich glaube, er hatte Angst vor dem Anblick und der Tatsache, dass er sich absolut hilflos fühlt, weil er dich nicht vor diesem Schmerz bewahren konnte.

    Und weil er nicht gekommen ist, hat er ein schlechtes Gewissen und ist dann einfach mal spontan erschienen. Um mitanzupacken, um zu helfen und um für euch da zu sein. Alte Männer müssen nicht viel reden, ein neues Bad sagt auch schon viel^^

    Fazit: Man darf nicht immer alles schwarz und weiß sehen und die Leute vorschnell verurteilen (mach ich auch oft).
    Manchmal hat die Medaille nicht nur 2 Seiten, sondern 3 (der Rand).

    lg

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    1. Vielleicht hast Du recht - ist wenigstens ein neuer Blickwinkel.
      Inzwischen ist ja alles wieder im Lot!

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