Sunday, March 13, 2016

Just bread

Wenn ich auch vieles mag an England - eines aber doch nicht: das englische Brot.

Und da wir ja sowieso alles selber machen, backen wir natuerlich auch unser eigenes Brot. Seit Januar ganz professionell, denn ich habe uns einen "commercial convection oven" gekauft. Unsere Kueche sieht eh schon fast aus wie eine Restaurantkueche, da kommt es auf den Ofen auch nicht mehr an - Platz haben wir zum Glueck genug.

In den Ofen bringe ich jetzt 12 ein-Kilo-Brote auf einmal rein - und da bei uns locker 1-2 Brote am Tag verschlungen werden, kann ich nun endlich einen Wochenvorrat auf einmal backen.

Die Kinder fanden den Ofen anfangs auch toll, bis ihnen bewusst wurde, dass wir natuerlich auch das Brotbacken in teamwork machen. Und da ich ein Verfechter von handgeknetetem Teig bin, kneten jetzt Nummer 1-4 regelmaessig mit mir zusammen am Samstagmorgen Brotteig.

Nummer 5 und 6 ueberwachen das ganze und stehen hilfreich im Weg und spielen im Mehl. Nummer 7 kann nun schon fast alleine laufen - haelt sich aber an allem fest und zieht somit doch immer wieder einiges vom Tisch runter.

Also optimale Bedingungen fuer perfektes Brot. Mal davon abgesehen, dass man solches Brot, wie wir es backen, maximal in Spezialbaeckereien in London bekommt, spart man mit selber gebackenem Brot eine Menge Geld. Da ich Mehl direkt bei der Getreidemuehle in 20 kg Saecken kaufe und den Rest der Zutaen im Grossmarkt, kostet mich ein Laib Brot (ca. 1 kg) inkl. Energie nicht einmal 50 Pence - eher noch deutlich drunter. Bei 10-12 Laib Brot pro Woche sparen wir da rund 30 Pfund, wuerde ich sagen.

Mal davon abgesehen, dass es fantastisch schmeckt. Wir backen so, dass wir die ganze Woche gutes Brot haben ohne viel einzufrieren (nur wenn was uebrigbleibt, wandert das fuer ein paar Tage in den Freezer). Fuer den ersten Tag gibt es z.B. Baguette oder Ciabatta, manchmal auch Brezeln. Fuer den zweiten Tag machen wir ein schoenes Weissbrot, oder Bagels oder auch mal ein "fettes Brot" wie wir sagen - sowas wie Brioche z.B. Der 3. und 4. Tag ist perfekt fuer ein schoenes Zwiebelbrot oder auch ein Roggenmischbrot. Am 5. Tag kann man noch wunderbar ein reines Roggenbrot essen und am 6. oder 7. Tag ist Pumpernickel immer noch prima zu geniessen. Hach - Roggenbrot mit selber geraeuchertem Lachs. Das ist einfach nicht zu ueberbieten...

Wir fangen schon am Donnerstag an, den einen oder anderen Sauerteig zu aktivieren (habe immer 2 Weizensauerteige und einen Roggensauerteig da). Am Freitag werden die diversen Starter gemacht - das gibt dann reichlich Geschmack fuer die Brote, wenn man zwei Tage vorher fermentiert. Auch am Freitag machen wir z.B. schon die Brezeln soweit fertig, dass sie nur noch im Kuehlschrank gehen muessen und dann gleich Samstagmorgens als erstes gebacken werden.

Und dann sind die Kinder auch schon wieder versoehnt mit mir, wenn sie zwischen dem Teigkneten, Zwiebeln schneiden, Brot-Bannetons vorbereiten ganz frische, noch warme Brezeln mit Butter bekommen, dazu ein riesen Glas Milch - so kann der Samstag beginnen...

Nun backen wir aber nicht nur fuer uns, sondern inzwischen auch fuer etliche Nachbarn. Deswegen kommen wir inzwischen lange nicht mehr mit einer Ladung Ofen aus, sondern sind inzwischen bei 3 Ofenladungen pro Samstag angekommen. Das bedeutet also, dass wir an einem Samstagvormittag doch so rund 30-40 Brote backen.

Das mir den Nachbarn kam durch die Eier, die wir verkaufen. Zur Zeit legen unsere Huehner schon rund 3 Dutzend Eier am Tag und die holen sich die Leute immer Samstags bei uns ab. 6 organic eggs fuer 1 Pfund - und die Eier schmecken einfach viel besser als die aus dem Supermarkt - das haben die Leute hier zu schaetzen gelernt. Und weil es dann immer so lecker nach frischem Brot riecht, haben halt immer mehr Leute nachgefragt und somit verkaufen wir nun auch Brot. 3 Pfund fuer ein 1 kg Brot und 5 Pfund fuer ein 2 kg Brot. Ist immer noch spottbillig - in London wuerde man fuer die Qualitaet locker das doppelte zahlen.

Aber die Kids sind stolz, dass "ihre" Brote so guten Absatz finden und die Kinder lernen was fuer's Leben. Und wenn wir mal ganz ordinaere deutsche Broetchen machen (wir machen aber die aus dem Osten), dann gibt es schonmal einen Wettbewerb, wer beidhaendig (also mit jeder Hand eins) die meisten Broetchen rollen kann...

Schwiegermama ist auch ganz begeistert - besonders von den Brezeln. Sie ist zur Zeit wieder da fuer eine Woche - nur so komme ich auch an einem Sonntagnachmittag zum schreiben. Und manchmal komme ich sogar zu mehr als 4 Stunden Schlaf pro Nacht! Sie ist eine echte Hilfe.
Ohne meine Schweigermutter haette ich das letzte Jahr und besonders die Anfangszeit nicht ueberstanden. Anfangs war sie fast jede 2. Woche da - inzwischen noch rund einmal im Monat. Und Sie ist eine fantastische Schwiegermama! Nicht so, wie meine erste - die den Begriff "boese alte Hexe" gepraegt hat. Nein, sie ist zwar einerseits eine typische spanische Mama und kuemmert sich um alles, kann andererseits aber auch den Mund halten und mischt sich nicht ein, wenn es nicht gewuenscht ist.

Nur die Kommunikation ist ein wenig schwierig, wenn sie da ist - allerdings nur fuer mich. Alle plappern dann munter auf spanisch und ich muss sehen, wo ich bleibe. Mein Spanisch ist nicht das allerbeste - und wenn ich auch noch viel verstehen, ist es dafuer aber umso schwieriger mit dem sprechen. Ich bekomm dann oft ein vorwurfsvolles "Papaaa" zu hoehren. Die haben's ja einfach, die koennen Englisch, Deutsch, Spanisch und Afrikaans perfekt.

Wednesday, March 2, 2016

Pestbeulen

Nichts mehr zu essen da - kein Bier mehr.

Nummer 1 und 3 und 4 haben die Pest. Schlimm. Die Beulen sind schon teilweise aufgeplatzt.

Nummer 6 und 7 haben die Schwindsucht. Nummer 6 kann nicht mehr laufen, Nummer 7 hat es noch nie gelernt - und wird es auch nicht mehr lernen.

Nummer 2 ist verletzt - grosse Wunde im Gesicht im Kampf um verschimmeltes Brot. Und abgemagert - wie alle. Und alle starren vor Schmutz. Hier waescht sich keiner. Nie.

Und Nummer 5? Keine Ahnung. Sieht nach Pocken aus - grassieren jetzt auch schon die Pocken?

Wir muessen trotzdem raus - nichts mehr zu essen. Ausserdem ist es nicht mehr auszuhalten in unserem "Heim": 3x5 Yards, kein Fenster, nur verschimmeltes Stroh zum schlafen. Und eine kleine Feuerstelle in der Ecke. Unser einziger Besitztum - und der wird massiv verteidigt - ist unser 2 Gallons Krug fuer das verwaesserte Bier.

Wasser ist hier in London nicht geniessbar - wer das trinkt, macht es keine 2 Tage mehr. Und so trinkt jeder - auch Kinder - Bier.

Ich bin noch gesund. Keine Ahnung warum.

Draussen schwirren Rauschwaden durch die Gassen, die Guelle fliesst im Rinnsal direkt an unserem Haus vorbei. Hier spielten die Kinder manchmal. Als Sie noch gesund waren.

Marodierende Gruppen streifen durch die Stadt - jeder hat Hunger. Jeder hat Durst. Nur der staerkste gewinnt.

Die Pestleichen werden schon lagen nicht mehr abtransportiert. Zumindest nicht hier, da wo die Armen wohnen. Und das ist ja fast ganz London.

1666 schreibt man. Hat der Priest zumindest gesagt. Das Jahr des Teufels, das Jahr der grossen Pest.

...

Ihr seht, ich schreibe wieder - munter und froehlich, dank der vielen tollen Kommentare - und Dank dem Anschiss von hobelevanc. Danke Euch allen!

Ich bin richtig gut gelaunt - es war ein sehr guter Morgen. Mit dicken Buttermilk-Pancakes. Strahlender Sonnenschein draussen - normalerweise wuerde ich jetzt ein wenig raus gehen, mein Bein trainieren. Aber ich glaube, ich bin Euch einen Post schuldig. Einen lustigen, schoenen Post, wie oben schon angefangen.

...

1666, das Jahr des Teufels - die grosse Pest in London.

Das war meine Vorgabe an Angel, als wir letztes Halloween unseren Familienausflug gemacht hatten.

Jaja, ist aus dem Zeitrahmen gefallen, der Post - aber ich hatte Lust darauf heute. Ausserdem habe ich den Post schon im Oktober versprochen.

Angel ist Maskenbildnerin fuer Film und Theater und war mir noch einen Gefallen schuldig. Und da meine Kids unbedingt zu Halloween was unternehmen wollten, dachte ich mir, ich fordere den Gefallen ein.

Hier wollten wir hin (wer sich in England auskennt, weiss, wo das ist - ganz bekannt, aber ich habe es aus ungewohnter Perspektive fotografiert):

Noch nicht erkannt? Jetzt aber:

Ja genau - dort wollten wir hin. Die haben eine ganze Woche Halloween-Event und jede Menge fuer Kids vorbereitet. auch ein Kostuem-Wettbewerb, aber das war klar, dass wir den nicht mitmachen - unfair den anderen gegenueber.

Angel kam schon morgens um 7 - ich hab komplettes englisches Fruehstueck versprochen.

Um 7 klingelt es also bei uns - und ich schau ganz verschlafen um mich. Keiner wach - kein Kind in meinem Bett, keiner quaengelt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich in den letzten 10 Jahren bis um 7 Uhr morgens geschlafen habe. Aber ausgerechnet heute. Ich wollte fit sein fuer Angel - frisch geduscht, rasiert, deodoriert - von den 50 Jahren eben ein paar abschuetteln.

So steh ich also dann vor ihr an der Haustuer. Nur ein Handtuch um die Hueften (ich schlafe "frei"), verstrubbelte Haare, unrasiert und verschlafen.

Hat ja mal wieder prima geklappt. Angel lacht aus ganzem Herzen und kommt rein.

Ich mach nur die Kaffeemaschine an und geh erstmal ins Bad. Das zwischenzeitliche Chaos oben ignoriere ich - irgendwer wird sich schon um die Kids kuemmern.

Eine Viertelstunde spaeter - und jetzt perfekt frisch - komm ich nach oben und Angel versucht, dem Chaos Herr zu werden. Es bleibt aber beim Versuch. Ich schick sie wieder runter - sie soll sich einen Kaffee nehmen.

Wieder eine Viertelstunde spaeter sind wir alle unten und es wird Fruehstueck gemacht:
Heute haben wir Hunger und so gibt's erstmal 25 Eier in die Paellapfanne - das macht Nummer 2. Ich haue selber gemachte Wuerstchen und selbergeraeucherten Speck in die Pfanne. Nummer 1 ist fuer die Hash browns zustaendig (auch selber gemacht) und Nummer 3 macht die Bohnen (natuerlich selber gemacht - nach einen Rezept von Tom Kerridge - einfach nur genial, machen wir immer auf Vorrat). Nebenbei schnippele ich noch ein paar Pilze und hau die auch in die Pfanne.

30 Minuten spaeter geht's uns allen richtig gut - so ein gutes selber gemachtes englisches Fruehstueck toppt einfach alles. Nicht den Mist aus dem Supermarket oder den meisten Pubs - das ist meist eklig...

Angel hat einen grossen Koffer aus dem Theaterfundus mitgebracht und die Kids werden angezogen. Alte Lumpen, vor Dreck starrend. Selbst meine Kids, die einiges gewoehnt sind, schlucken erstmal schwer.

Wir machen also Geschichte lebendig. So waert Ihr damals rumgelaufen, vor ziemlich genau 350 Jahren. und Ihr haettet nicht die lange Unterwaesche drunter gehabt, die Daddy Euch heute spendiert, meint Angel. Angel weiss viel ueber englische Geschichte und erzaehlt waehrend dem Schminken von der damaligen Zeit.

Schlimm war das in London - unvorstellbar schlimm. Auch ich hab noch viel gelernt - insbesondere darueber, wie die Leute damals gehaust haben.

Die Kids bekommen erstmal eine Grundschicht Schmutz ins Gesicht und auf die Haende. Nie waschen - ein faszinierendes Konzept fuer die Kids. Ich winke ab - keine Chance!

Dann kommen die Pestbeulen, die Geschwuere, die Wunden. Am meisten fasziniert mich, wie Angel Nummer 6 und 7 schwindsuechtig macht. Trotz Schmutz blass wie der Tod, dunkle schwarze Ringe unter den Augen plus rote Raender. Ich bin kurz dafuer den Notarztwagen fuer Nummer 7 zu holen.

Die Kids schauen sich im Spiegel an - zuerst sind sie ernsthaft entsetzt. Darueber, wie schlimm es damals fuer die Menschen war. Dann sind sie begeistert ueber die Schminke. Nummer 1 und 2 bekommen noch Peruecken ueber. Kurze fransige Haare voller Asche und Dreck. Die anderen bekommen Muetzen auf.

Bin ich froh, dass wir entschieden haben, dass die Erwachsenen nicht mitmachen...

Also auf in den Bus und los geht's - Angel kommt auch mit. Den Spass laesst sie sich nicht entgehen, meint sie.

Und der Spass faengt schon auf dem Parkplatz an. Die Leute erschrecken regelrecht, wenn sie uns sehen. Und an der Kasse meint der aeltere Herr, dass er ja schon viel gesehen haette...

Zum Glueck ist prima Wetter und die Kids amuesieren sich praechtig. Der Weg zum Schloss ist toll - ein richtig schoener englischer Park und ueberall sind kleine Dinge, die die Kids machen koennen. Hauptsaechlich gruselige Dinge entdecken und Punkte sammeln fuer irgendein Spiel.

Ins Schloss selber gehen wir nicht, sondern weiter zu den Spielplaetzen, wo auch die grossen Halloween-Veranstaltungen stattfinden. Aber erstmal zum Spielplatz. Meine Kids lieben Spielplaetze und haben so ihre ganz eigene Art, wie sie einen Spielplatz "betreten".

Ich kenn das ja schon, aber Angel noch nicht - bin ja mal gespannt.

Und wir werden nicht enttauescht!. Nummer 1 schnappt sich den Kinderwagen, Nummer 2 zerrt Nummer 6 hinter sich her und alle stuermen schreiend auf den Spielplatz zu und in den Spielplatz rein.

Das ist an sich schon immer eine Show - heute aber, mit der Schminke und den Lumpen ist das der Hammer. Mit tun die anderen Kinder richtig leid - die entweder nur mit offenem Mund dastehen und kaum begreifen was passiert - oder die schreiend zu Mama rennen. Oje, das wird wieder die eine oder andere Diskussion geben...

Nicht das meine Kinder irgendwie die anderen Kinder belaestigen oder aergern - nein, sowas machen die nie, damit sind sie genug mit sich selber beschaeftigt. Aber die Wucht, mit der die 7 den Spielplatz einnehmen, ist schon faszinierend.

Natuerlich passiert wieder was - Nummer 1 ist zu uebermuetig und so kippt der Kinderwagen um und Nummer 7 purzelt raus in den Dreck. Volle 5 Sekunden absolute Stille, dann kraeht der Kleine los, aber wie.

Nummer 1 ist sehr schuldbewusst und betuttelt den Kleinen. "Niks gebeur" - also "nix passiert" ruft sie rueber - frag nicht, warum ausgerechnet in Africaans.

Spielplatz ist prima, da braucht man sich um die Kleinen nicht kuemmern. Wir gehen also ins Café nebenan - die haben hier sogar ein Café am Spielplatz. Angel und ich sitzen also da, trinken unseren Kaffee und schauen den Kids zu. Der Spielplatz ist deutlich leerer geworden - weiss gar nicht warum...

Spaeter gehen wir noch zu den anderen Veranstaltungen und schauen uns auch den Verkleidungswettbewerb an. Da haben sich einige wirklich Muehe gegeben und es sind tolle Kostueme dabei - wir nehmen trotzdem nicht teil. Wir haben Freude genug und warum sollen wir anderen die Freude verderben?

Dann gibt's erstmal Picknick - nur ein paar Brote und Salate und Saft. Aber das ist so schnell weg, das glaubt man nicht. Keine Chance, dass ich satt werde - aber es sei den Kids gegoennt.

Angel amuesiert sich praechtig und hier hat's angefangen mit uns. Dazu aber irgendwann mal mehr.

Es war ein schoener Tag und auf der Rueckfahrt schlafen fast alle.

Das war Halloween mit dem Rudel.