Tuesday, August 25, 2015

Mein Vater, der burische Rassist

Nachdem mein Vater ja doch zu einigen Kommentaren, Heiterkeit und Nachdenklichkeit angeregt hat, widme ich ihm nun mal einen eigenen Post. Noch ein paar Tage weilt er ja bei uns in England.

Den hat er sich redlich verdient. Aber erstmal ein paar Details ueber ihn.

77 Jahre ist er alt, sieht aber eher aus wie Ende 60. Braungebrannt mit strohweissen Haaren und einer kernig-zaehen Statur und ungefaehr so gross wie ich (1,83) macht er schon was her.

Bis vor einem Jahr hat er in seinem eigenen Restaurant gekocht - und das seit ueber 50 Jahren. Aufgegeben hat er es auch nur, weil er - nach eigenen Worten - nun genug Geld hat um den Rest seiner paar jaemmerlichen Jahre armselig zu verbringen.

Armselig bedeutet ein 5 Hektar grosses Grundstueck in der Naehe von Durban am Indischen Ozean mit Blick aufs Meer und einem Hammer von Villa.

Armselig bedeutet, dass er es sich leisten kann, First Class zu uns nach England zu fliegen...

Aufgewachsen ist er im Apartheid-System und so verwundert seine teils deutliche rassistische Haltung nicht. Ich denke aber, sie ist ihm mehr Gewohnheit als dass er es damit wirklich ernst meint.

Zwar bezeichnet er die Schwarzen (darf man glaube ich gar nicht mehr sagen - zumindest "Black People" im englischen ist offiziell diskriminierend - man sagt wohl politisch korrekt "Colored", kann aber auch sein, dass das inzwischen auch schon wieder rassistisch ist) immer noch als Kaffer, aber als ich bei ihm gewohnt hatte vor nunmehr ueber elf Jahren, war einer seiner besten Freunde und Teilhaber ein "Kaffer" - wie er ihn immer bezeichnete. Dieser hat ihn im Gegenzug dann "Rassistiese" oder "Ubaguzi wa rangi" was eben Rassist in Afrikaans oder Kiswahili bedeutet.

Meine Mutter (sie ist oder war ja Deutsche) hat er in ebendiesem Restaurant kennengelernt und ich glaube schon nach ein paar Monaten geheiratet. Sie war die Tochter einer Diplomatenfamilie und kam somit viel rum.

Mein Vater spricht perfekt Englisch und Afrikaans, ein wenig Deutsch, ganz gut Kiswahili und ziemlich gut Sesotho sowie etliche Brocken anderer Bantu-Sprachen. Das hatte natuerlich auch mit seinem Restaurant bzw. seiner Kochausbildung zu tun, da in dieser Branche ja der Kulturenkessel neben vielen anderen Toepfen brodelt.

Ich habe bis zu meinem 5. Lebensjahr in Durban gelebt, wo ich auch geboren bin und bin quasi im Restaurant aufgewachsen. Meine Leidenschaft fuers Kochen hat mein Vater mir also schon frueh mit auf den Weg gegeben.

Dann hat es zwischen meinen Eltern nicht mehr funktioniert und meine Mutter ist mit mir nach Deutschland gezogen. War nicht ganz einfach, wie ich aus Erzaehlungen weiss, da Deutsch nicht gerade meine Sprache der Wahl war. Im Kindergarten habe ich dann wohl auch einen Kauderwelsch aus Englisch und Kiswahili geredet...

Auf eine Mail und Frage eines Lesers anworte ich hier mal. Ich schreibe meinen Blog auf Deutsch und nicht auf Englisch hauptsaechlich aus dem Grund, meine Familie zu beschuetzen. Englische Leser eventuell aus der Nachbarschaft (oder noch schlimmer aus den Medien) etc. koennten mich natuerlich super leicht ueber den Inhalt und die Umstaende identifizieren.

Einfach war es dann nicht, die Beziehung zu meinem Vater aufrecht zu erhalten. Zeit hatte er nie viel mit seinem Restaurant und die Apartheit sowie die spaetere politische Blockadenpolitik haben auch nicht gerade geholfen.

Er hat es aber immer geschafft, mich einmal im Jahr zu besuchen und spaeter einmal im Jahr zu sich nach Suedafrika zu holen.

Spaeter, als ich erwachsen war, hat sich das leider ein wenig zerstreut. Erst als meine Mutter starb, ist der Kontakt wieder intensiver geworden. Ich hatte zeitgleich einen schoenen Rosenkrieg hinter mir und er hat mich ueberredet, zu ihm nach Durban zu ziehen.

Viel Ueberredung war da allerdings nicht notwendig, da das natuerlich eine tolle Ablenkung war - in einer der wunderbarsten Regionen der Erde.

Nicht so gut war die Idee, dass ich mit im Restaurant anfange. Da sind zwei Dickkoepfe aufeinendergestossen und es hat ziemlich gekracht.

Nach 2 Monaten haben wir das wieder beendet und ich bin in meine alte Branche - Werbung, Design und Fotografie zurueckgekehrt. Gewohnt habe ich weiterhin bei meinem Vater und das hat dann auch zuemlich gut funktioniert - dank des grossen Hauses.

Mein Vater hatte nach meiner Mutter diverse Frauen - richtig fest ist es aber wohl nie mehr geworden. Irgendwas ist aber momentan - was er nicht verraten will. Hin und wieder hoehre ich ihn abends telefonieren - in einer ganz ungewohnt lieblichen Stimme - und dann auch noch auf Englisch mit gelegentlichem Wechsel zu Sesotho (verstehe ich auch ein wenig).

Insbesondere letzteres gibt mir den Rest: Der burische Rassist floertet in Sesotho???

Dann kam aber SIE in mein Leben und ich bin nach London gezogen.

Das hat unser Verhaeltnis erstmal stark abgekuehlt - er hat es mir durchaus uebel genommen, dass ich so schnell wieder weg war. Aber was hat er erwartet? Ich war ein Mann in den besten Jahren...

Das erste Mal haben wir uns erst 4 Jahre oder so spaeter wiedergesehen, als er zu uns gekommen ist. Dann waren wir einmal mit 4 kleinen Kindern und hochschwangerer Frau in Durban (nicht empfehlenswert, so ein langer Flug mit Kleinkindern und Baby, aber dort war es toll).

Das war's dann auch - nicht einmal zur Beerdigung der Mutter seiner 7 Enkel ist er gekommen. Das hab ich ihm echt uebel genommen.

Und dann hat er sich vor 2 Monaten in seiner eigenen Art - als ob nichts gewesen waere - angekuendigt. Also nicht gefragt, ob es recht ist, dass er kommt. Sondern einfach geschrieben, wann er in Heathrow ankommt und ob ich ihn bitte abholen koennte. Er bleibt dann ca. 4 Wochen, meinte er.

Er war stark beeindruckt, als er dann da war - das hab ich gemerkt, auch wenn er versucht hat, das zu verbergen. Wie wir das hier alles managen, wir wir unser 8-koepfiges Rudel zusammenhalten, wie wir alle 8 in Heathrow auf ihn gewartet haben und ihn dann in unserem nagelneuen Bus nach Hause gefahren haben. Das alles hat ihn wirklich beeindruckt.

Irgendwie hatte ich das Gefuehl, er hat mich das erste mal im Leben so richtig fuer ebenbuertig genommen. Und nein - ich leide nicht an Minderwertigkeitsgefuehlen...

Dann hat er alles auf den Kopf gestellt.

Mit seinem Rummosern am fehlenden 2. Bad und dass er morgens seine Ruhe im Bad braucht hat er mich echt dran gekriegt. Ich hab erst viel spaeter gemerkt, dass das ein Trick von ihm war.

Er weiss ja, dass ich nie finanzielle Hilfe von ihm annehmen wuerde. Und er weiss auch, dass er mich allein mit dem Angebot beleidigen wuerde.

Also meckert er einfach solange rum, bis ich ihm an den Kopf werfe, dass er doch einfach ein Bad bauen soll.

Klar war ihm natuerlich, dass wir dringend ein 2. Bad brauchen und klar war ihm auch, dass ich nicht wirklich das Geld dazu habe.

Also hat er es auf diesem Umweg gesponsort - und es ist ein tolles Bad geworden!!!

Eine riesige ebenerdige Dusche - da passen locker alle Kinder auf einmal rein. Und eine Badewanne mit Whirlpool mit Platz fuer 2 Erwachsene. Dazu 2 Doppelwaschbecken und nochmal zwei abgetrennte Toiletten. Einfach perfekt fuer uns - zudem eine immense Wertsteigerung unseres Hauses, sollte es je zum Fall der Faelle kommen.

Wie er es allerdings geschafft hat, mit englischen Firmen das Bad vom ersten Gespraech an innerhalb von knapp 2 Wochen fertig bauen zu lassen, wird mir immer ein Geheimnis bleiben. Hut ab, Daddy!

Dafuer bekommt er das Bad jetzt auch jeden morgen eine ganze Stunde nur fuer sich alleine. Das ist das wenigste, was wir tun koennen, meinte Nummer 1.

Und nochwas hat er auf die Beine gestellt. Der Spyder von IHR, der seit dem Unfall leicht beschaedigt vor der Tuer stand, hat er reparieren lassen und faehrt jetzt munter damit durch die Gegend.

Ich hab es nicht fertig gebracht, das Auto bisher auch nur anzufassen. Aber jetzt bin ich froh, da ich jetzt auch mal mit einem kleineren Wagen als mit unserem Bus wegfahren kann, wenn ich alleine bin.

Des weiteren hat mein Vater die Kueche fest im Griff - etwas fleischlastig ist es geworden: Am 3. Tag nach seiner Ankunft kam morgens eine Lieferung Rindfleisch an: 110 kg. Zum Glueck habe ich einen professionellen Gefrierschrank mit 650 Litern Kapazitaet...

Und auch sonst ist er sehr aktiv. Faehrt oefter alleine nach London - mit dem Zug allerdings, was auch besser so ist. Auch geht er abends hin und wieder mal in einen der lokalen Pubs und kommt sichtlich gut gelaunt - und sichtlich angetrunken wieder.

Soweit so gut - klappt eigentlich wirklich gut hier mit ihm. Aber ich bin auch ganz froh, wenn er bald wieder weg ist. Irgendwie ist man doch nie so ganz ungestoert und manche Diskussionen sind einfach laestig. Ausserdem schmeckt zwar sein Essen richtig toll - aber jeden Tag Restaurant? Morgens mittags und abends? Ich will meine gesunde Ernaehrung wieder haben!!!

Und er sehnt sich auch zurueck - das merke ich. Die Weite des Landes ist ein krasser Gegenzug zum englischen Village und auch wenn unser Cottage (mehr ein altes Herrenhaus) unter englischen Hausern wohl ein sehr grosses ist, wirkt es natuerlich gegen seine Villa in Durban eher beengt.

                             Bild eingefuegt auf Wunsch von Annika

Sein Gaestezimmer hier - und das ist das groessere - hat so ungefaehr 4 x 3,5 Meter. Sein Wohnzimmer in Durban duerfte so 15 x 10 Meter sein...

Das Wetter ist ihm hier auch zu kalt - und er bekommt kein ordentliches Gemuese zu kaufen. Da hat er schon recht, wenn ich die Qualitaet mit dem vergleiche, was Du so in Durban auf dem Markt bekommst...

Und ich glaube, ihm fehlen die Menschen aus Suedafrika. Diese immer zumindest unterschwellig vorhandene Unbekuemmertheit und Froehlichkeit gibt es bei uns in Europa so nicht - schon gar nicht in England oder gar Deutschland...

Trotzdem: Das Verhaeltnis ist wieder gut, die Kinder haben ihn (meist) genossen und wir planen eventuell, zu Weihnachten zu ihm zu kommen. Dann ist da Sommer.

Ich weiss aber ehrlich gesagt nicht, ob ich mit 7 Kindern so einen langen Flug mit Zwischenstopp in Dubai machen will (In Suedafrika steige ich nicht um mit 7 Kids...). Und wie ich das bezahlen soll, weiss ich auch nicht. Ist allerdings nur der Flug, alles andere waere ja dann zum Glueck inklusive...

Wir werden sehen.

Wednesday, August 19, 2015

Der Geburtstag

Am Wochenende war IHR Geburtstag. Der erste nach dem Unfall.

Mein Vater ist ja schon ne Weile aus Suedafrika da und dann kam noch meine Schwiegermutter (angekuendigt) und meine Schwaegerin (unangekuendigt).

Wir haben aber nur noch 2 Gaestezimmer, da mein Vater ja ein neues Bad bauen laesst und dabei ging im ersten Stock ein Zimmer und eine schoene ruhige Sitzecke drauf. Schwaegerin musste also bei Ihrer Mutter im Zimmer schlafen...

Dazu mussten eigentlich fast alle Kinderzimmer umgeraumt werden - das neue Bad wiebelt wirklich alles durcheinander. aber toll wird es - doch dazu irgendwann mehr.

Zu allem Ueberfluss sind gerade Schulferien und die Grossen sind somit zuhause. Zum Glueck macht der Kindergarten keine Ferien...

Meine Schwiegermutter - so sehr ich sie schaetze und so sehr sie uns geholfen hat - war schwierig diesmal. Es sei ihr gegoennt, zumal es ihre Tochter war, die vor ein paar Monaten quasi in ihren Armen verstorben war (Nachruf).

Sie wollte am Geburtstag zum Grab fahren - mit der ganzen Family und danach uns alle zum Essen einladen.

Mein Vater war allerdings nicht besser - gleicher Vorschlag, nur dass er dann zuhause kocht.

Ich sitz dann also nach dem Besuch am Grab mit 7 verstoerten Kindern beim Essen und wir heulen uns durch den Geburtstag.

Keine Option.

Nein, ich fahre mit den Kids weg. Ich habe mir vorgenommen, an IHREM Geburtstag den Kids immer irgendwelche besonderen Plaetze zu zeigen, die ihre Mutter sehr geschaetzt hat.

Und nein, wir fahren ganz gewiss nicht ans Grab. Das machen wir zwar auch gelegentlich, aber nicht zu oft. Aber nicht am Geburtstag!

"Dann hat SIE aber doch keine Gesellschaft" meinte Schwiegermama. "Doch", meinte Nummer 1, "die Würmer".

Hilfreich war der Kommentar nicht - Schwiegermutter war not amused.

Wir machen keinen Totenkult und in unserer Familie glaubt niemand an etwas ueberirdisches. Inklusive IHR.

Also sind wir morgens losgefahren - 2 Stunden Fahrt. Schwiegermama, Schwaegerin und meine Vater sind notgedrungen mitgekommen - fuer meine Schwaegerin haben wir dann unterwegs noch bequeme Laufschuhe besorgt, denn es lag viel Laufen vor uns. Im Bus ist uebrigens locker genug Platz fuer uns alle - welch eine gute Entscheidung, wenn ich auch trotzdem manchmal beim Einparken fluche...

Wir sind zum Peak District gefahren - ein wunderbarer Naturschutzpark (oder wie sowas auf deutsch heisst), den SIE besonders geliebt hat.

SIE hat ja immer viel gearbeitet - und wenn gerade mal nicht, dann hat SIE ein Kind bekommen. Deswegen genoss SIE solche Ausfluege in die Einsamkeit besonders.

Zwar ist der Peak District durchaus eine Attraktion mit vielen Besuchern, doch wenn man nicht gerade die Hauptruten aussucht und sich weiter ins Innere traut, kann man schonmal einen Tag selbst am WE erleben, an dem man keinen einzigen anderen Menschen trifft oder sieht.

Der Peak District besteht aus Bergen (Peak = Gipfel) und somit war Bergwandern angesagt.

Mit meiner alten Schwiegermama (aber die ist zaeh), meinem alten Vater (noch zaeher) und meiner Schwaegerin, die das komplette Gegenteil ihrer Schwester ist, also komplett unsportlich.

Kids 1 bis 5 haben alle Rucksaecke mit Picknicksachen auf (keine Sorge, die Rucksaecke von Nummer 4 und 3 sind recht leicht).

Ich hab Nummer 7 im Tragegestell auf dem Ruecken und mein Vater und Schwiegermama loesen sich mit Nummer 6 ab, die den ersten Teil tapfer mitmarschiert ist und jetzt fast die ganze Zeit bei Opa auf den Schultern sitzt. Schwaegerin laeuft ca. 100 Meter hinter uns, nachdem mein Vater ihr wirsch ueber den Mund gefahren ist nachdem sie zum gefuehlten 20. Mal fragte, wie weit es denn noch ist.

Das ist eigentlich Aufgabe von Nummer 3 und 4 - aber die waren diesmal total solidarisch.

Zwei Stunden Aufstieg und dann waren wir da. Einer der wundervollsten Plaetze in England - mit einem Blick weit ueber den Peak District und so gut wie keine menschlichen Aktivitaeten oder Bauten.

Das einzige sind die gelegentlichen Steinmauern - alle bestimmt schon hunderte Jahre alt und die allgegenwaertigen Schafe. Die werden hier frei gehalten und soweit ich weiss nur ein oder zweimal im Jahr zum Scheren zusammengetrieben.

Schnell das Picknick ausgepackt - mein Vater hat sich mal wieder selbst uebertroffen.

Dann herrscht mampfende Stille - wir geniessen es. Den tollen Ausblick, das fantastische Essen und das Wissen, dass das hier einer IHRER Lieblingsplaetze war. Klar hab ich das den Kids erklaert und ich denke, so haette SIE sich das gewuenscht. Wir alle haben an SIE gedacht - ich glaube sogar Nummer 6 und auch Nummer 7 haben das irgendwie mitbekommen.

Und Schwiegermama hat verstanden.

Keine Traurigkeit - sondern an Sie denken in wunderbarer Umgebung. Den Tag geniessen und SIE ist irgendwie mit dabei.

Wir sind dann rund 3 Stunden geblieben. Nummer 5 bis 7 haben ausgiebig geschlafen und wir anderen haben in Grueppchen kleinere Ausfluege gemacht oder sind einfach nur sitzengeblieben.

Es war ein langer Tag - mit Fahrt und allem drum und dran rund 12 Stunden.

Aber es war schoen.

Monday, August 10, 2015

Zusammenbruch

Am 1 Juli war mein Glueckstag: Nummer 7 kam das erste mal ganztaegig in den Kindergarten. Und Ich hatte den ganzen Tag ZEIT!!!!

Und der 1. Juli war der Tag meines Zusammenbruchs. Dazu gleich mehr.

Aber hier erstmal die aktuellen Katastrophenmeldungen und - man hoehre und staune - die Gluecksfaelle.

Katastrophe 1: Mein Vater ist seit Samstag fuer 4 Wochen da und schlaeft bei uns und nicht im Hotel...

Katastrophe 2: Der erste Satz in Heathrow meines Vaters war noch vor der Begruessung: "Na Ihr habt ja ganz schoen viele Kaffer hier"... Der alte burische Rassist. Auf meine Antwort: "Zum Glueck mehr Kaffer als burische Rassisten" hat er die ganze Fahrt nicht mit mir gesprochen, nur mit den Kids. Dazu aber kommt ein separater Post.

Katastrophe 3 (und das ist die schlimmste): meine Schwiegermama kommt zum Geburtstag von ihrer Tochter am WE und bleibt eine Woche, da mein Geburtstag nur ein paar Tage spaeter ist. Ich mag sie ja wirklich sehr, aber  muss sie kommen, wenn mein Vater da ist? Ich versteh es ja, es ist der erste Geburtstag seit IHREM Tod - aber das wird die Hoelle...

Gluecksfall 1: Mein Vater kocht so saugut wie immer und hat die Kueche uebernommen (er ist ja alterfahrener persionierter Koch und Restaurantinhaber). Ich werde (und das ist Katastrophe 4) in den 4 Wochen mindestens 5 Kilo zulegen.

Katastrophe 5: Mein Vater spricht ausschliesslich Afrikaans. Er ist der Meinung, die Kids muessen das lernen. Klar kann er perfekt englisch, aber der Dickschaedel hat seine eigene Meinung. Was ich absolut nicht kapiere: die Kinder verstehen ihn...

Gluecksfall Nummer 2 - und das ist mal wirklich der Hammer: Ich bekomme ein neues, 2. Bad. Mein Vater ist dermassen angepisst, dass er sich das Bad morgens mit 7 Kindern und mir teilen muss. Er will seine Ruhe morgens, meinte er gestern. "Dann bau doch ein neues Bad" hab ich geantwortet - ich brauche ja auch dringend eines. Heute morgen beim Fruehstuck hat er es dann verkuendet: Er schenkt mir zum Geburtstag ein neues Bad - wir fahren nachher zur ersten Baufirma, die er schon organisiert hat und er meint, wir machen das genauso wie ich (also nicht er) moechte und ich soll es richtig luxurioes machen... Auf meine Bemerkung zu den Kosten meinte er, das ginge mich einen Scheiss an - er zahlt ja schliesslich. Also gut! Ich freu mich. Er meinte noch, die Jungs von der Baufirma bringt er auf Trab, das Bad soll zu meinem Geburtstag (knapp zwei Wochen) fertig sein. Wie er das hier in England schaffen will, frage ich mich. Aber ich kenn ja seinen Dickkopf....

Zurueck zum 1. Juli.

Ich hab also tagsueber Zeit und arbeite konsequent durch. Haushalt bleibt liegen und ich nehme mir vor, den Abend freizumachen.

Frei!

Ich hatte seit dem Unfall im Dezember keine einzige freie Minute fuer mich!

Weggehen ist natuerlich nicht, wegen der Kids. Aber einfach mal im Wohnzimmer sitzen, nachdem alle anderen im Bett sind und vielleicht lesen, vielleicht einfach nur einen Film anschauen.

Und tatsaechlich, gegen 8 Uhr abends herrscht Ruhe, alle sind im Bett, Nummer 7 ist frisch gefuettert und schlaeft schon oft ganz durch - also tolle Voraussetzungen.

Und dann kommt mein fataler Fehler.

Ich denke mir, da ist doch noch die Flasche Champagner im Kuehlschrank, seit ueber einem Jahr. Dazu muss man wissen, dass SIE und ich seit der ersten Schwangerschaft nach der Bestaetigung immer eine tolle Flasche Champagner ausgesucht hatten - immer was besonderes, immer ein schoener Jahrgangschampagner. Und der hat denn im Kuehlschrank gewartet, bis das Baby da war und SIE wieder was trinken konnte. Und dann haben wir die Flasche geleert, auf den oder die Kleine, sozusagen.

Ich koepfe also die Flasche und stosse auf SIE an - also mit mir selber. Das war der erste Frust. Ist ja keiner da zum Anstossen. Und nachdem die Flasche dann leer war, kam der echte Frust.

Das erste Mal Zeit zum Nachdenken und dann auch noch alkoholisiert - und ich trinke ja selten und bin nicht wirklich trinkfest...

Das erste Mal ist mir mit einer gewaltigen Wucht klargeworden, welches Schicksal uns/mich wirklich ereilt hat. Zum ersten Mal hab ich ueber die Konsequenzen nachgedacht.

Bisher war es immer nur die Familie ueber Wasser halten, die Finanzen regeln, den Job ausbauen und aufzupassen, dass keines der Kinder untergeht.

Jetzt dreht es sich in den Gedanken zum ersten Mal um mich. Ich liege am Boden und weine erbaermlich.

Erst jetzt wird mir klar, dass ich jede Minute an SIE denke. Bei allem was ich tue und mache ist SIE praesent. Wie soll ich denn ohne SIE klarkommen? Fuer immer?

Zu allem Ueberfluss mache ich mich jetzt auch noch an eine alte, halbvolle Flasche Wodka.

Was wird aus mir? Was ist mit Liebe? Klar ist die liebe von 7 Kindern ueberbordend und maechtig. Aber es verlangt auch nach Liebe von einem Lebenspartner. Nach dem entspannenden und doch fordernden Kuss meiner grossen Liebe. Nach erotischer Naehe, nicht nur nach Kinderkuscheln.

Mit 7 kleinen Kindern kann ich es knicken, wieder nach einer Partnerschaft zu suchen. Wer macht sowas schon mit? Und wer kann sich da ueberhaupt integrieren ohne untergebuttert zu werden? Und wer kann die extrem hochhaengende Latte erreichen?

Sex? Vergiss es! Bezahlsex? Na toll! Der schnelle Fick mit der Leiterin des Kindergartens neulich? Der war doch nur eine Mischung aus Mitleid und Curiosity ihrerseits. Und befriedigend fuer mich? Fehlanzeige! Zum Glueck hab ich zwei gesunde Haende - und eine Flasche Wodka...

Ich zerfliesse im Selbstmitleid bei 2,5 Promille. Verdient hab ich's ja, das Selbstmitleid. Aber helfen tut's nicht.

Es ist schon erstaunlich, wie Mensch einen Schicksalsschlag wie meinen so komplett verdraengen kann, ihn reduzieren kann auf das notwendige Ueberleben der Kinder, auf das Aufrechterhalten eines halbwegs funktionierenden Lebens,

Und dann trifft es einen mit einer unvorstellbaren Wucht, die dich einfach nur umhaut.

Innerhalb eines Augenblicks wird Dir das komplett Ausmass bewusst.

Wie geht es weiter mit den Kids? Was passiert, wenn Du krank wirst oder die Auftragslage sich verschlechtert. IHRE Lebensversicherung reicht dann nicht lange, ein paar Monate vielleicht. Und dann?

Dann kommt nur noch das Leben von der Sozialhilfe - Benefit genannt. Kann ich nicht mehr 150%ig arbeiten, kann ich die Kinderbetreuung nicht mehr bezahlen, kann ich ueberhaupt nicht mehr arbeiten, geht gar nichts mehr. Eine Todesspirale.

Diese und so viele andere Gedanken sind durch mich wie ein Intercity gerauscht - bei inzwischen bestimmt 3,5 Promille.

Die Beziehung war so perfekt! Die Liebe so gross. Und selbst das Prickeln war immer noch da, wenn nicht sogar noch viel staerker nach 11 Jahren.

Klar gab es auch bei uns Probleme und hin und wieder auch mal einen Streit. Der war dann aber grossartig, filmreif - mit spanischem Temperament und burischem Dickkopf. Da sind die Fetzen und die Tassen geflogen. Aber nach kurzer Zeit kam die Versoehnung - immer in Form von heftigem, animalischem, befriedigendem Sex. Wie geil war dass denn!!!

Alles weg, fuer immer!

Irgendwann bin ich dann abgetaucht in den sicheren Hafen der Bewusstlosigkeit. Keine Ahnung, ob der Kleine nachts mal wach war - sah zumindest morgens nicht danach aus. Keine Ahnung, wie ich ins Bett kam. Zum Ausziehen hat's jedenfalls nicht mehr gereicht, zum Amusements der Kinder morgens.

Nummer 1 meinte, es stinkt wie im Pub (woher weiss sie das?!!!!) und hat mir eine Handvoll Aspirin geholt. Woher weiss sie sowas? Bei uns war noch nie jemand ernsthaft betrunken!

Nach ein paar Tassen Kaffee und einer langen, langen Dusche ging es dann wieder. Kinder eine Stunde zu spaet in der Schule und ich sitze in den Truemmern meines Lebens, wieder alleine.

Irgendwie schaffe ich es aber dann doch, die Truemmer wegzurauemen und weiterzuleben. Und es geht. Irgendwie geht es.

Inzwischen sind die Abende alleine nicht mehr so schlimm. Ich kann schon wieder mit Freude ein gutes Buch lesen oder auch mit Hingabe eine Tonne Waesche buegeln...

Tuesday, August 4, 2015

gemeingefährlich

Mein letzter Post ist richtig lange her - meine neugewonnene Freiheit hat doch ganz schoen Einfluss auf mein Leben gehabt. Mein Nummer 7 ist doch ab Anfang Juli ebenfalls im Kindergarten und das eroeffnet ganz neue Perspektiven - manche ganz toll, manche aber auch niederschmetternd.

Darueber schreibe ich ausfuehlich im naechsten Post, jetzt gehts aber erstmal um Nummer 1 und 2.

Die beiden Maedels sind naemlich gemeingefaehrlich - zumindest laut Ihrem Trainer.

Sport war bei IHR und mir immer wichtig - somit machten wir es fuer die Kids auch wichtig. Doch was fuer eine Sportart ist die perfekte fuer ein dreijaehriges Maedel, fragten wir uns vor 6 Jahren.

Die Frage war einfach beantwortet, da ich als Kind und Jugendlicher Karate gemacht hatte und es recht weit brachte. SIE war einverstanden und wir haben es probiert, zumal wir hier in der Naehe einen Club haben (jaja, das heist Dojo), der Kinder ab 3 Jahren aufnimmt. Findet man selten sonst.

Karate ist eine feine Verbindung von Training aller Muskelpartien des Koerpers, Ausdauer und ernsthafter geistiger Auseinandersetzung mit dem Koerper, der Kampf- (besser: Verteidigungs-) kunst und anderen Menschen.

Nummer 1 fing mit 3 an und nach ihr bisher alle anderen inkl Nummer 5, der neulich begann.

Mit 3-jaehrigen kann man natuerlich noch nicht ernsthaft trainieren und da der Trainer ein damals schon ueber 50-jaehriger war, war ich sehr gespannt.

Aber das meist spielerische Rumtoben, kombiniert mit nach und nach immer feineren Bewegungen war und ist die perfekte Methode, die Kinder bei Laune zu halten und gleichzeitig auf das eigentliche Karate hinzuarbeiten.

Alle machen immer noch Karate und Nummer 1 und Nummer 2 hatten letzte Woche wieder eine Pruefung und tragen nun den braunen respektive den blauen Gurt. Und wir sprechen von den richtigen Gurten, nicht den "Kindergurten" die es auch gibt (also z.B. braun/weiss blau/weiss kombiniert)

Ich fragte den Trainer danach dann nach langer Zeit einmal wieder, was er von den Maedels haelt - also sportlerisch.

Und da meinte er dann, die beiden seien gemeingefaehrlich. Auf meiner Verwunderung hin erklaerte er, dass ich damals ja bei Beginn des Trainings von Nummer 1 u.a. meinte, Karate sei wichtig fuer das Maedel, damit sie spaeter im Ernstfall auch mal reagieren kann.

Nummer 1 - so der Trainer - braucht schon jetzt mit 9 Jahren nichts mehr zu fuerchten - ein normaler kraeftiger erwachsener Mann wuerde bei einem Uebergriff auf sie hoechstwahrscheinlich im Krankenhaus landen.

Und Nummer 2 - ebenfalls der Trainer - wuerde sich in der selben Situation so gut wehren koennen, das die allermeisten Angreifer schon nach kurzer Zeit von Ihr lassen wuerden.

Ziel erreicht!

Nicht nur in Bezug auf die Verteidigung sondern auch sportlich und moralisch. Letzteres sehe ich dadurch, dass beide noch nicht ein einziges Mal Karate gegenueber anderen Kindern angewendet haben - noch nicht einmal spielerisch. Mal von den Karateaktionen bei uns im Garten abgesehen, da kann aber jeder zumindest ein wenig Karate. Also ausser Nummer 6 und 7 natuerlich aber die finden das auch spannend.

Ersteres habe ich die letzten Wochen gesehen, als ich wieder mehr Zeit fuer das Laufen hatte und als alter Sack endlich wieder die 10 km unter einer Stunde geschafft hatte. Beide sind jetzt mehrmals mitgelaufen und waehrend ich nach den 10 km ernsthaft nach einen Sauerstoffgeraet suche, schwitzen die beiden noch nicht einmal richtig.

Bin begeistert!

Doch jetzt faengt es fuer Nummer 1 an ernst zu werden. Jetzt wird auf den schwarzen Gurt vorbereitet, den sie spaetestens in einem Jahr halten soll.

Das ist zwar keine absolute Seltenheit bei Kindern mit 10 Jahren, aber doch etwas aussergewoehnliches, wie meine Internetrecherche ergeben hat. Und es wird sehr heftig darueber diskutiert, ob Kinder in diesem Alter schon moralisch ausgereift sind, um damit umgehen zu koennen. Schliesslich koennen Sie andere mit den erlernten Techniken durchaus schwer verletzen, wenn nicht umbringen.

Meine Antwort dazu: eindeutig ja. Mit dem richtigen Trainer, der absolut hoechsten Wert auf geistiges Training und moralische Werte legt, sind Kinder in diesem Alter sehr wohl faehig, das volle Ausmass ihres Sports zu begreifen und dementsprechend richtig zu handeln.

Ich behaupte sogar, dass Karate die geistige Reife foerdert und die Kinder wesentlich verantwortungsvoller macht.

Fuer Nummer 1 bedeutet das jetzt 4x Training die Woche. Unter der Woche 3 mal "normales" Training - normal heisst dann aber, dass sie bei den 15-18 jaehrigen trainiert. Und Samstag gibt es Spezialtraining, das sind zwei 18 jaehrige Jungs und mein 9 jaehriges Maedel, die zusammen mit dem Cheftrainer arbeiten - alle drei wohl starke Kandidaten fuer den Wettbewerbssport.

Jetzt muessen wir demnaechst entscheiden, was wir mit dem Rugby machen. Nummer 1 und 2 - und seit letzter Woche Nummer 3 - spielen Rugby und es macht Nummer 1 viel Spass - zumal sie richtig schnell ist und auch nicht zimperlich (jaja, das Karate).

Aber 6x Sport in der Woche ist heftig, zusaetzlich zum Klavierunterricht 2x die Woche. Da bleibt nicht viel Zeit fuer Freunde - Schule ist hier in England ja Vollzeit (zum Glueck!!!!).

Aber das muss sie entscheiden. Definitiv entschieden hat sie schon, dass sie das Karate maximal betreiben und sogar turniermaessig machen moechte.

Wir werden sehen.

Nummer 2 trainiert jetzt 3x die Woche - das bedeutet mit dem Rugby auch schon 5x Sport die Woche - und sie ist erst sieben... ich weiss nicht so recht - aber Spass macht es ihr eindeutig. Und sie wird wahrscheinlich schon mit acht den braunen Gurt machen und wenn sie genauso begeistert dabei bleibt, hat sie den schwarzen Gurt schon mit neun...

Dem Trainer spreche ich mein groesstes Vertrauen aus - obwohl auf die 60 zugehend (oder vielleicht gerade deswegen?) hat er eine tolle Art mit den Jugendlichen und alle moegen ihn fast schon wie einen zweiten Vater. Und das Samstagstraining macht er umsonst, obwohl ich mich stark dagegen gewehrt hatte.

Falls einer meiner Leser kleine Kinder hat - ueberlegt mal ernsthaft, ob Karate nicht was waere. Ich finde es einen perfekten Sport, insbesondere fuer Kids... Fragen dazu beantworte ich gerne!